Warum SCORM als Standard nichts über Didaktik aussagt
Das moderne eLearning setzt auf eine bunte Vielfalt unterschiedlicher Standards und Programmierungen. Dadurch bieten sich Lernenden wie auch Lehrenden zahlreiche Möglichkeiten, um Lernprogramme didaktisch aufzubereiten und Lernfortschritte zu erzielen. Aber eignet sich das Richtmaß SCORM tatsächlich für die Didaktik?
Die Abkürzung steht für „Sharable Content Object Reference Model“. Dabei bezeichnet dieses Referenzmodell hauptsächlich eine gemeinsame Sprache für das Lernmanagementsystem (LMS), den Lerninhalt sowie dem Web Based Training (WBT). Insbesondere heute gilt eLearning als unerlässlich, um die Lernenden dort abzuholen, wo sie sich alltäglich immer häufiger aufhalten: Im Worldwide Web und hinter Computerdisplays. Wissen gelangt längst nicht mehr vorrangig mittels Bücher in die Köpfe der Lernenden. Vielmehr nutzen immer mehr Lerner computerbasierte Lernprogramme. Das Referenzmodell scheint dabei unentbehrlich, aber stimmt das?
Das verbirgt sich hinter dem Referenzmodell
Hinsichtlich didaktischer Theorien versagt das Referenzmodell vielfach. Warum? Dazu ist es nötig zu verstehen, wie das Modell funktioniert. Es stellt ein Richtmaß für die sogenannten Autorensysteme dar, die als Entwicklungswerkzeuge das Erstellen digitaler Lerninhalte ermöglichen. Eine genormte Schnittstelle erlaubt die wechselseitige Kommunikation zwischen dem Lernmanagementsystem und dem jeweiligen Autorensystem mit den entsprechenden WBTs und Lerninhalten.
Auf diese Weise lassen sich beispielsweise Lernfortschritte und der Name des Lernenden importieren, transferieren sowie abspeichern. Das Referenzmodell soll dem WBT und LMS die Kommunikation erleichtern, weil diese für gewöhnlich getrennt voneinander entwickelt wurden und sich somit in gewisser Weise zwei Fremde gegenüberstehen (Quelle: elearning-praxis.de/die-weniger-bekannten-regeln-fuer-scorm/). Das bedeutet gleichzeitig, dass es sich um ein technisches Richtmaß handelt und nicht um eine „didaktische Gestaltungsvorgabe“ (vgl. „E-Learning, E-Teching und E-Assessment in der Hochschullehre: Eine Anleitung“. Jürgen Handke, Anna Maria Schäfer. Walter de Gruyter Verlag. 2012. S. 227).
Technische Kommunikation ersetzt keine Didaktik
Da es sich bei dem Referenzmodell um eine technische Entwicklung handelt, die außerdem in den 1990er Jahren auf den Markt kam, sind didaktische Überlegungen dabei außen vor gelassen. Bei der Gestaltung moderner Lernprogramme vernachlässigen Entwickler in vielen Fällen die didaktischen Grundlagen, die das Lernen erst ermöglichen und unterstützen. Das Referenzmodell stützt diese Vernachlässigung, indem es ausschließlich die technische Seite beleuchtet, nicht aber die didaktische. Es handelt sich lediglich um eine Schnittstelle, die Allgemeingültigkeit besitzt. Didaktische Theorien über das Lernen und Lehren vernachlässigt diese Schnittstelle beziehungsweise kann sie nicht beachten, weil sie nicht dafür entwickelt worden ist.
Damit lässt das Referenzmodell keinerlei Rückschlüsse auf die inhaltliche Qualität eines Lernprogrammes zu. Auf diese Weise lassen sich zahlreiche Online-Kurse aufgrund der stumpfen Verwendung von Autorentools und der sogenannten Gamification bestenfalls mit der Schulnote 4 in didaktischer Hinsicht bewerten.
Fazit
Ein Referenzmodell, das allgemeingültig ist und das sich vor allem als technische, genormte Schnittstelle auszeichnet, kann nicht als didaktische Grundlage fungieren. Die technische Reduktion auf die Kommunikation zwischen Lernmanagementsystemen und dem Web Based Training bietet keinerlei Aussagekraft über didaktische Theorien oder Praxen. Insbesondere die Tatsache, dass das Referenzmodell 1997 entwickelt wurde, zeigt die didaktische Rückständigkeit dieses Richtmaßes: Es berücksichtigt moderne Anfordernungen (beispielsweise die Cloud oder Flashplayer und mobile Endgeräte) nicht oder unzureichend. Das entspricht letztlich nicht den modernen Anforderungen, die didaktische Theorien in der Praxis fordern.