Das interaktive Klassenzimmer, oder warum interaktive Whiteboards DEFINITIV den Unterricht bereichern
Nachdem wir auf der Learntec 2013 sehen konnten, wie wenig Hardware-Anbieter von sog. digitalen Whiteboards (SMART, Hitachi, Promethean, etc…) Interesse an einer größtmöglichen Präsenz haben, wollen wir dennoch eine Lanze für sie brechen.
Zugegeben, das Marketing und die Unterstützung ist im Moment wirklich noch mangelhaft, aber so Blogbeiträge wie auf Lehrerfreunde sind definitiv der Beweis, daß es nicht nur an den Anbietern der Lösung liegt, sondern auf beiden Seiten an der Umsetzung scheitert.
(wir berücksichtigen hierbei auch den Aspekt, daß die Aussagen aus dem Jahre 2008 stammen…)
Greifen wir doch mal ein paar Teile des Blogbeitrages und der Kommentare auf, wie z.B.
Vom Sinn und Unsinn interaktiver Whiteboards im Unterricht
Leider können wir hier nur sagen, bereits die Überschrift enthält einen Fehler…
Fehlerpotenzial: Während einer Schulstunde 15 Hintergrundbilder unter viel Geklicke an die Tafel werfen. Das unterhält die SchülerInnen und verringert die Unterrichtsqualität.
Nun, das würden wir als didaktischen Fehler dem Lehrkörper zuordnen, und nicht dem Hersteller.
Hier fehlt es dann bei dieser Art der Unterrichtsgestaltung definitiv an der Motivation.
… die Hersteller versorgen uns auch mit unzähligen (meist allerdings: sehr banalen) Spielchen.
Nun, vielleicht überfordern aber auch komplexe Szenarien einfach viele Lehrer?
Eines der Themen der Learntec war dieses Jahr das „gamebased learning“, und ich möchte wetten, die Lernkurve der Schüler ist definitiv anders ausgeprägt als die der Lehrer.
Liegt vielleicht zum einen an der Tatsache, daß die meisten Schüler heute „digital natives“ sind… 🙂
Mit einem interaktiven Whiteboard im Klassenzimmer herrscht natürlich (für die SchülerInnen) striktes Powerpointverbot.
Spätestens hier müssen wir uns fragen, warum Schüler in diesen Dingen Verbote auferlegt bekommen.
Warum NICHT Powerpoint?
Ist Powerpoint SO SCHLECHT?
Oder fehlt es den Schülern zur ansprechenden Gestaltung und Nutzung von Powerpoint an Wissen?
Es wird wohl wirklich Letzteres sein, denn Powerpoint oder Impress sind definitiv Werkzeuge, die das freie Sprechen unterstützen können!
Dann darf man die fehlende Kompetenz nicht auf Werkzeuge schieben.
Am Besten wird es aber mit dieser Aussage:
Die hartnäckigste Whiteboard-Lüge: „Interaktive Whiteboards sparen Zeit.“
… … …
Eine freche Lüge. Die Existenz eines interaktiven Whiteboards im Klassenzimmer spart keine Zeit. Die Tafelbilder, Folien und Präsentationen muss ich sowieso zu Hause vorbereiten, allerdings muss ich sie in digitale Form bringen (die meisten Lehrpersonen bereiten ihre Tafelbilder mit Papier und Stift vor).
Ja, aber digitale Stifte gibt es schon seit JAHREN!
Wenn daher der Lehrkörper die Inhalte weiterhin analog erfaßt…?
Im Unterricht entwickle ich das Tafelbild nach wie vor mit der Hand – wer bitte drückt auf den Knopf, lässt das Tafelbild erscheinen und bittet seine SchülerInnen kommentarlos, es abzuschreiben?
Ah, da wären wir also wieder bei einem perfekten Einsatzgebiet von Powerpoint…
Und dann speichere ich die SchülerInnenarbeitsergebnisse auf meinen USB-Stick – womit ich noch ein weiteres Stück Arbeit nach Hause nehme, denn ich muss die Ergebnisse ja irgendwie verwalten – ausdrucken, in ein Arbeitsblatt integrieren oder sie meinen SchülerInnen mailen.
Auch hier heißt es: selbst schuld.
Hier käme beispielsweise Chamilo zum Einsatz; alle Ergebnisse zentral abrufbar, bis ins kleinste Detail.
Die Hälfte hat sie dann nicht bekommen und bittet mich, sie erneut zu mailen. Die andere Hälfte antwortet auf meine Mail, dass der Anhang nicht zu öffnen wäre, ob ich …
Ja, das ist immer das Thema mit offenen Standards und genereller Nachvollziehbarkeit.
Chamilo würde hier in Synergie mit einem interaktiven Whiteboard alle Daten sammeln, (voll-)automatisiert auswerten, und der Lehrer hätte intern in der Plattform die Möglichkeit der Verteilung.
Und natürlich muss ich mich in die Technik einarbeiten. Die Whiteboard-Software (i.d.R. recht einfach zu durchschauen), wie speichere ich Bilder, auf denen Schüler ihre Gruppenarbeitsergebnisse eingezeichnet haben, wie kann ich gleich nochmal über den Netzwerkdrucker diese Folie für alle ausdrucken … usw. usf.
Hier hilft vielleicht eine Grundausbildung des Lehrkörpers, denn Schüler haben komischerweise mit diesen Vorgängen keinerlei Probleme (oder Berührungsängste).
Der nächste Punkt ist jedoch der Entscheidenste:
Das größte Whiteboard-Problem: Vielen Lehrpersonen fehlen didaktische Kenntnisse
Genau. Man ist wahrscheinlich beim Lehrer 1.0 (oder vielleicht Lehrer 1.x) stehen geblieben, da das Upgrade auf Lehrer 2.0 ja Geld kostet.
Zu Lasten der Schüler.
Von Christian kam folgender Kommentar:
Aber den Spruch “Wir haben zu Hause kein Internet” wirst du trotzdem hören.
Wie heißt das tolle neumodische Wort dafür? Collaboration!
Schüler schaffen es sehr wohl, wenn Sie wollen.
Besonders amüsant fanden wir den Kommentar von Bloch, ein scheinbar überzeugter Verfechter der analogen Tafel (auch wenn er sich anders gibt):
Eine extensive Mediennutzung, die von den White-Board-Vertretern propagiert, widerspricht andererseits
in höchstem Maße der Forderung für den Unterricht, sich auf das Wesentliche zu beschränken, mit Klarheit und übersichtlichem Layout (Tafelbild!) und geordnetem visuellem Material zu arbeiten. Wer wie ich schon lange mit rechnergestütztem Material arbeitet (seit 23 Jahren), der merkt, wichtig es ist, die Computerberieselung auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
Wow, 23 Jahre, und noch immer ist es dem Lehrer nicht möglich, sich digital auf das Wesentliche zu beschränken?
Oder soll das anders zu verstehen sein, daß er mit Computerberieselung das stumpfe Abspielen von Youtube-Videos meint?
Wir werden es wohl nie erfahren, jedoch geben wir den Tipp: DIDAKTIK!
J.Donners bringt das erste wirklich interessante Argument:
Der Lehrer hat zu Hause seine Stunde gut vorbereitet und will eine große Show abziehen auf dem Smartboard.
Leider hat ein kleiner Lausbub einige Teile des Computers entfernt.
Der Lehrer steht jetzt da mit leeren Händen. Er hat ja kein Whiteboard mehr zu verfügung. Was jetzt?
Oder z.B. Das Netzwerk der Schule hat einen Kurzen. Aus ist es mit dem Smartboard. Was jetzt?
Zugegeben, das war früher wirklich nicht so toll, hat man mit einer Prise Autorität jedoch im Griff.
Heutzutage kosten präsentationsfähige Computer 99$, und sowas läßt sich finanzieren.
(Schulen, die das nicht glauben, dürfen sich gerne bei uns melden; wir zeigen hierzu Lösungen)
Und wenn man WIRKLICH didaktisch vorbereitet ist, so braucht man nicht wirklich Internet, um eine Unterrichtseinheit zu schmeissen…
Ein sehr interessanter, wenngleich auch flacher Kommentar kam von Stefan, einem klaren Verfechter von Lehrer 1.0:
Fehlinterpretationen und Schoenreden beginnen bereits bei der Namensgebung dieser Tafel: interaktives Whiteboard. Interaktiv? Statt Partner- und Gruppenarbeit, statt Bewegung im Klassenraum, echten Bildern zum Anfassen und Sortieren, wirklichen Gegenstaenden usw. starren die Schueler auf das Whiteboard, waehrend der Lehrer eine Show abzieht – zurueck zum uralten Frontalunterricht entgegen aller lernpsychologischen Erkenntnisse. Waehrend ich an einer herkoemmlichen Tafel mehrere Schueler gleichzeitig schreiben lassen kann, kann am Whiteboard jeweils nur eine Person gaaanz laangsaam schreiben. Herkoemmliche Tafeln sind auch groesser, und ich kann ein gutes Stundenbild entwickeln, das die ganze Zeit praesent ist. Die Whiteboards sind einfach zu klein und man muss staendig neue Fenster kreieren und oeffnen. Die Vorbereitung ist sehr zeitinsensiv; statt inhaltlichen und paedagogischen Ueberlegungen verschwendet man unglaublich viel Zeit, um dann in der Tat oft ohne Vorbereitung in der Klasse zu stehen, weil die Technik oder das Schulnetz wieder mal versagt haben. Uebrigens erfordern Whiteboard-Files sehr viel Speicherplatz und erfordern einen Stand der Computertechnik, den die meisten Schulen und Privatpersonen schlichtweg nicht haben. Noch von einer ganz anderen Perspektive: Waehrend wir jedes bisschen Energie sparen sollen und von globaler Erwaermung reden, schaffen wir uns neue Energiefresser an, die rund um die Uhr laufen.
Okay, wir zerpflücken diese Aussage jetzt mal Stück für Stück…
Erstens, es können sehr wohl mehrere Personen an einem Whiteboard arbeiten.
Zweitens, Gruppenarbeit erledigt man typischerweise an der Tafel?
Drittens, wir kennen die interaktiven Whiteboards schon sehr lange, und uns ist keines bekannt, welches Arbeiten im Schneckentempo voraussetzt. Liegt vielleicht an der Bedienung/Hardware, die hinter dem Whiteboard steckt…?
Viertens, ein Größenvergleich ist nicht für Qualitätsentscheide relevant. Wichtig ist doch, WAS und WIE vermittle ich es den Lernenden.
Fünftens, wer Unterrichtsvorbereitung als Verschwendung von Zeit ansieht, sollte sich vielleicht ernsthaft mit einem Berufswechsel auseinandersetzen. Einer der gigantischsten Vorteile von Whiteboards ist die Vorrätigkeit von altem, bereits digitalisiertem Unterrichtsmaterial für das nächste Schuljahr. Bedeutet: im nächsten Jahr kann sich ein Lehrer auf die Ausarbeitung und Umänderung des Materials konzentrieren, anstelle es komplett neu zu erfassen.
Sechstens, Energieverschwendung ist heute eher ein Lügenkonstrukt der großen Energie-Riesen; wenn Ökostrom, obwohl günstiger als Atomstrom, dennoch teurer verkauft wird, tja… vielleicht hatten die Manager dort ebenfalls schlechte Lehrer…
Dann war da noch Keybert, der Taliban der Etatverwaltung:
Die Whiteboards sind schlicht zu teuer, störanfällig, überflüssig. Man trage Sorge dafür, dass die Grundausstattung im staatlichen Schulwesen stimmt, z.B. kleinere Klassen, gute Bibliotheken, mehr Bewegungsraum usw.
Ha ha ha, das ist ja nicht nur Lehrer 1.0, sondern total rückständig.
Zugegeben, mit kleineren Klassen und Bibliotheken geben wir ihm Recht, wer jedoch in der heutigen Zeit (und dazu zählen wir auch 2008) Whiteboards als Teil des Unterrichts ablehnt, wird von seinen Schülern überholt.
Der wohl stimmigste Kommentar kam von schlunzen:
Schiefertafel, Wandtafel,Episkop, TLP, Matritzen, Beamer, Computerraum, manches kam, vieles ging, ich denke, als Ergänzung zum Methoden- und Medienrepertoire wird das Smartboard besonders bei den frischen Junglehrern mehr Anklang finden, denn dort wird ja multimedial, laptopmäßig viel intensiver (effizienter?) gearbeitet.
Ein zeitgemäßes Instrument, das die gute alte Schieferberta sicher nicht zum Untergang verdammen wird. Never say never, stay flexible. Lg
Dem können wir uns uneingeschränkt anschließen!
Die Schiefertafel sollte nicht abgeschafft werden.
Auch Rudi Roegele zeigt, daß es mit den Lehrern doch noch nicht hoffnungslos ist:
… Jugendliche verbringen mittlerweile mehr Zeit im Internet als vor dem TV (ZDF-Onlinestudie), das soziale Leben von mehr als 4 Mio Schülern findet im Netz statt (Schüler VZ). Wenn wir die Schüler da abholen wo sie stehen, dann werden wir um moderne Medien gar nicht rumkommen. Und je weniger wir uns damit beschäftigen, desto weniger werden wir unsere Schüler verstehen. Schade, eigentlich!
Wir könnten hier noch viele weitere Kommentare zerpflücken, jedoch denken wir, daß im Jahre 2013 hoffentlich bei den meisten Lehrern/Kursleitern angekommen ist, daß man ohne moderne Medien heute keinen Blumentopf in der Bildung gewinnt.
Es kommt auf eine ausgewogene Gestaltung und Präsentation des Inhaltes an.
Ersteres kann seitens der Software von Whiteboardherstellern sicherlich besser unterstützt werden.
Letzteres fordert jedoch die Bereitschaft der Lehrenden, sich damit auseinanderzusetzen.